Dies ist mein Beitrag zur Blog-Parade der Firma TimeTac zum Thema «Was macht einen guten Digital Leader aus?»
Kennen Sie das? Alle reden von Digital Leadership – doch was genau heisst hier «digital»? «Gute Leadership bleibt gute Leadership, Digitale Transformation hin oder her!», so hört man es immer wieder. Ich stimme dem durchaus zu – aber: Es gibt beim Thema Leadership einige Aspekte, die heute, in der Digitalen Transformation, plötzlich matchentscheidend geworden sind, während diese früher von vielen Führungskräften eher als nebensächlich angeschaut wurden.
Dies kann heute gefährlich werden.
In diesem Blogpost möchte Ihnen aufzeigen, was Leadership im Zeitalter der Digitalen Transformation bedeutet. Anschliessend finden Sie eine Checkliste und einige Assessment-Fragen. Damit können Sie gleich eine Selbstbeurteilung vornehmen um zu sehen, wo Sie in Sachen Digital Leadership heute stehen.
Der «Playground» von Digital Leadership – was ist im heutigen Business-Umfeld anders?
Lassen Sie mich kurz skizzieren, wie das heutige Umfeld aussieht, in dem Leadership oft stattfindet. So sehen wir schnell, welche Anforderungen sich an ein zeitgemässes Konzept von Leadership stellt.
Unternehmenskultur und Digitalisierung: Erst mal nichts tun, dann hektisch agieren
Gerade die Schweiz ist geprägt von einen eher gemächlichen, qualitätsorientierten Denken. Wenn man dann noch einen Strategieprozess vorweisen kann, dann hat mancher CEO das Gefühl, dass alles in Ordnung sei. Klar, die qualitätsorientierte Behäbigkeit hat uns viel gebracht, doch in der gegenwärtigen Zeit kann sie zu einem Mühlstein am Hals werden. Ein Faktor ist heute entscheidend: Die Geschwindigkeit.
In meiner Praxis als Consultant sehe ich immer wieder ein gleiches Schema: Viele Unternehmen pendeln hin und her zwischen Nichtstun und Hektik.
Das Nichtstun erwächst aus Bequemlichkeit, oft aber auch aus einer tiefen Unsicherheit. Viele Geschäftsführer haben schlicht keine Ahnung, in welche Richtung sie sich bewegen sollen. Gleichzeitig bekommen sie täglich zahlreiche Inputs, was jetzt zu tun sei.
Meist fehlt ihnen aber die fachliche Expertise um eine qualifizierte Entscheidung zu treffen. Dies schafft eine tiefe, lähmende Verunsicherung – und führt zu Nichtstun.
Hektik kommt dann auf, wenn – unternehmerisch gesprochen – die Hütte anfängt zu brennen, wenn die Umsätze zurückgehen, die Gewinne einbrechen. Dann muss sofort etwas geschehen. Egal, ob das fachliche Rüstzeug vorhanden ist oder nicht: Hauptsache, man hat das Gefühl, dass etwas in Bewegung kommt.
Bildlich gesprochen: Man will auf das Matterhorn, wartet zwar noch auf die Eispickel und auf die Steigeisen, aber man rennt trotzdem schon mal los, in Pyjama und Hausschuhen.
Das kommt selten gut raus.
Unternehmenskultur zum Zweiten: Man darf keine Fehler machen
Viele Leader befinden sich heute in einer Situation, in der man von ihnen viel erwartet, möglichst in kürzester Zeit.
Eines aber ist heute absolut verboten: Fehler zu machen.
Diese Kultur ist in den Zeiten des digitalen Wandels gefährlich. Gerade die digitalen Märkte ermöglichen schnelle Lern- und Iterationszyklen, inkl. Feedback durch präzise Daten.
Mit anderen Worten: Digitale Leader sind Experten im schnellen Scheitern, denn sie wissen, dass schnelles Scheitern auch schnelles Lernen bedeutet – und letzteres ist für die Umsetzung der Digitalen Transformation zentral.
Kernelemente der Digitalen Leadership: Agilität, stetige Entwicklung und schnelle Lernzyklen
Ersetzen Sie das Handlungspaar Nichtstung / Hektik durch ein neues Handlungspaar: Stetige Entwicklung / Schnelle Lernzyklen. Mehr dazu etwas weiter unten, wir kommen gleich dazu.
Um im Bild zu bleiben: Handeln Sie sich Digitale Skills an und setzen Sie das erworbene Wissen sofort in die Tat um.
Dies ist ein weiteres Merkmal von Digitaler Leadership: Umsetzen und implementieren, auch wenn dies nur in kleinen Schritten geschieht.
Wie kann man in der Digitalen Transformation Innovation umsetzen?
Die Intensität, mit der die Digitale Transformation das Business-Umfeld verändert, lässt sich auch daran erkennen, dass die Methoden, die in der Vergangenheit zu Qualität und Innovation geführt haben, heute schlicht zu ineffizient sind – oder gar nicht mehr funktionieren.
Digital Leadership heisst verstehen, wie in einem digitalen Umfeld Innovation entstehen kann. Lassen Sie mich dies an einem aktuellen Beispiel aus der Finanz- und Versicherungsindustrie erläutern: Vor kurzem erläuterte mir ein Bekannter, der bei einer grossen Schweizer Versicherungsgesellschaft arbeitet, anhand eines konkreten Beispiels deren interne Innovationsmethodik. Ich will das jetzt gar nicht en détail ausbreiten, es geht hier bloss um einen Einblick, wie diese Versicherungsgesellschaft versucht, Innovation umzusetzen.
Ganz grob zusammengefasst machen die das so:
- Man sammelt intern Ideen
- Dann wird entschieden, welche davon umgesetzt wird.
- Die Entscheidungsgrundlage ist der Chef, im besten Fall das Team
- Was aber leider nicht die Entscheidungsgrundlage ist: der Markt, auch nicht die Kunden und deren Bedürfnisse.
- Diese kommt erst dann ins Spiel, wenn das Produkt fertig ist, wenn es – aus interner Sicht gesehen – perfektioniert ist.
Nur, im vorliegenden Fall musste man dann feststellen, dass der Markt am Produkt schlicht nicht interessiert war. Die gesamte Entwicklung ging schlicht am Markt vorbei – und niemand erkannte dies rechtzeitig.
Genau an dieser Stelle, also vor dem Umsetzungs-Entscheid, würde ein Digital Leader eingreifen und den Entwicklungsprozess stoppen.
- Ein Digital Leader weiss, dass man heute Produkte erst testet, sie iterativ marktreif macht.
- Er kennt die Methoden, mit denen man einen digitalen Markt testet und schaut, wo die grössten Resonanzpunkte liegen.
- Er hat teilweise auch das taktische Wissen um diese Methoden.
- Mit anderen Worten: Wenn man ihm gegenüber von einem MVP spricht, dann kennt er dieses Konzept.
- So kann er ein Produkt zur Marktreife bringen, bevor es an die Kunden ausgerollt wird.
Nicht so die erwähnte Versicherungsgesellschaft. Sie ist nicht nach dem Konzept MVP vorgegangen. Nach Auskunft meines Bekannten hat dieser Fehler einige Millionen Franken gekostet.
Was zeichnet einen guten Digitalen Leader aus?
- Agilität: Ersetzen Sie das Handlungspaar «Nichtstun / Hektik» durch «Stetige Entwicklung / Schnelle Lernzyklen». Weiter unten in der Checkliste gebe ich Ihnen ein Rezept, wie Sie das sofort umsetzen können.
- Gute Digitale Leader sind Experten im Scheitern, sie scheitern gerne und oft. Dies bringt schnelles Lernen, und dies verschafft ihnen einen erheblichen Konkurrenzvorsprung.
Sie haben keine Angst vor Untergebenen, die besser sind als sie. - Sie schaffen ein gemeinsames WHY, eine intrinsische Motivation, welche das gemeinsame Handeln mit Sinn erfüllt.
- Sie schaffen eine Umgebung, in denen Andere ihre Fähigkeiten bestmöglichst einbringen und entwickeln können.
- Digitale Expertise, strategisch und taktisch: Es reicht nicht, wenn Sie sich nur als Stratege sehen. Ein Digitaler Leader hat mindestens in einigen Bereich auch vertieftes taktisches Wissen. Fehlendes taktisches Wissen führt sehr oft dazu, dass Strategien scheitern.
- Ein Vergleich: Wenn Sie in der Armee zum Major befördert werden, dann bedeutet das auch, dass Sie einmal als Soldat durch den Schlamm gerobbt sind. Mit andern Worten: Wer die Basis nicht kennt, wird kaum funktionierende Strategien entwerfen können.
- Sie haben das Konzept eines Minimal Viable Products (MVP) verstanden und können es anwenden und auch intern vermitteln. Falls dies Ihnen nun nichts sagt, googeln Sie es einfach, es gibt online mehr als genügend Ressourcen dazu.
Checkliste: Was können Sie tun, um zu einem guten Digitalen Leader zu werden?
- Passen Sie Ihr Mindset an. Perfektion ist in Ordnung, aber streben Sie in erster Linie nach schnellen Lernzyklen. Diese entstehen durch schnelles Scheitern, durch eine Kultur des Experimentierens.
- Seien Sie der Leader, den Ihr Unternehmen braucht, um ein Gleichgewicht zwischen Nichtstun und Hektik zu finden, damit schnelles Lernen möglich wird.
- Institutionalisieren Sie Transformationsprozesse, geben Sie ihnen systematisch Raum , damit sie sich entfalten können.
- Das geht zum Beispiel so: Veranstalten Sie intern 14-täglich stattfindende Growth Meetings:
- Halten Sie einen kurzen Impulsvortrag, dann geben Sie Ihren Leuten einen Lern-Auftrag, verbunden mit einem Umsetzungs-Auftrag.
- Definieren Sie die notwendigen KPIs, damit Ihre Leute sich messen können.
- Nach 14 Tagen kommen Sie wieder zusammen und analysieren die Resultate.
- Schaffen Sie so bewusst eine Kultur, in der Ihre Leute experimentieren dürfen – und in der sich Gelerntes setzen kann.
- Falls Sie selber das nötige Knowhow nicht haben, holen Sie es sich extern. Es braucht dazu keine aufwändigen und teure Workshops, wichtig ist vielmehr das Zusammenspiel von Theorie-Impulsen uns sofortiger Implementation.
- Suchen Sie sich Leute, die besser sind als Sie. Haben Sie keine Angst von ihnen. Es ist ok, wenn Sie von Untergebenen lernen. Eine kompetente Abteilung verbessert auch Ihr eigenes Standing in der Firma.
- Machen Sie sich das Konzept des MVP (Minimal Viable Product) zu eigen. Dies ermöglicht Ihnen echte Agilität in der Produkte-Entwicklung, und ermöglicht schnellere Lernzyklen in der ganzen Organisation.
Assessment – 9 Fragen für Digital Leaders
- Welche Themen haben Sie für die folgenden drei Growth-Meetings definiert?
- Wissen Sie, welche digitale Expertise die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Team mitbringen?
- Welche Innovationen haben Sie für dieses Jahr geplant?
- Skizzieren Sie für jede Innovation die Vorgehensweise nach dem Konzept des Minimal Viable Products (MVP).
- Wie werden Sie die Ideen und das Marktpotenzial testen, welches sind die benötigten KPIs?
- Welche Weiterbildungen stehen für Ihre Mitarbeiter dieses Jahr auf dem Programm?
- Welche Weiterbildung werden Sie dieses Jahr absolvieren?
- Was ist das WHY in Ihrer Organisation? Welche gemeinsame Motivation haben Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
- Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was müsste sich an Ihrer Betriebskultur ändern, damit Sie zufrieden wären?